Mittwoch, 24. April 2024
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„IT und ‚Shu Ha Ri‘ passen im Alltag oft nicht zusammen – so meine Wahrnehmung …“

[… lautete mein ursprünglicher Einleitungstext und eigentlich wollte ich hier meine Erlebnisse und Gedanken zu einer „Test Competence Team“-Einführung im Umfeld der Angebotssoftware-Entwicklungsabteilung einer Versicherung reflektieren – denn dieser Tenor war einfach zu laut: „… ‚Shu‘ und ‚Ha‘ brauchen wir nicht – wir machen direkt ‚Ri‘ …“.

Während des Text-Entwurfs schien es mir jedoch sinnvoller, zunächst kurz ein paar Erfahrungen zu „Shu Ha Ri“ zu notieren.]

Der aus den japanischen Kampfsport-Künsten stammende Begriff → „Shu Ha Ri“ beschreibt drei zu durchlebende Ebenen bis zur Erlangung einer Meister-Reife – immer begleitet von einem Meister seines Fachs!

Sehr verkürzt bedeutet

Shu – Follow the rules
Ha – Break the rules
Ri – Be the rules

oder anders formuliert

first learn, then detach, and finally transcend

or

learn the form, break the form, forget the form

Meine innere Stimme beklagte „… Du bist doch kein Angehöriger des japanischen Kulturkreises ? Und dann willst Du etwas über Shu Ha Ri schreiben ? …“ – möglicherweise treffe ich den wahren Sinn der japanischen Denkweisen nicht – und ich bin nur ganz oberflächlich. Bestimmt !

Vielleicht muss ich aber auch den Kern nicht treffen und es / mir genügen die → Inspiration und die Impulse ?

Hier „meine“ frühen Shu Ha Ri-Erfahrungen in Kurzform …

Von Kindesbeinen an zumindest „Shu“

Auf jeden Fall höre ich von klein auf einen Spruch, der sich für mich wie ein Beginn mit „Shu“ anfühlt:

Übung macht den Meister

Für „Shu Ha Ri“ eventuell sinn-verkürzend, aber derzeit ausreichend nah am [von mir empfundenen] Sinn.

„Ich erinnere mich an die vielen, langweiligen Übungseinheiten, …“, so könnte ich viele Beispiele beginnen.

Zum Beispiel:

Ich erinnere mich an die vielen, langweiligen Übungseinheiten, in denen Schüler meines Jahrgangs ab der ersten Klasse unaufhörlich viele Reihen mit immer dem selben Buchstaben malen (!) mussten – (Schul-) Stunden lang und als Hausaufgabe mindestens fünf Seiten nachmittags.

Dann folgten Übungen mit kurzen Wörtern und Silben.

Alles typisch „Shu“, und von einem beginnenden „Ha“-Level mit ersten kurzen Texten (nach-) schreiben noch weit entfernt. Erst sehr viel später kam es dann zum Schreiben von längeren Schriftstücken, Aufsätzen oder Referaten.

Ob dies schon etwas mit „Ri“ zu tun hatte?

Auch erinnere ich mit an die vielen, langweiligen Übungsheiten z.B. beim Badminton,

in denen wir jeweils eine halbe Stunde lang immerzu nur den einen → Schlag– bzw. Bewegungsablauf einstudieren mussten: jeweils unzählige Aufschläge „diagonal kurz“, bei denen der Federball ein an den Boden geheftes DIN A4-Blatt treffen musste [später auch ein DIN A6-Blatt].

Meine Meister und Trainer waren unbarmherzig [Danke!].

In der nächsten halben Stunde folgten dann ebenso zahllose Aufschläge, diesmal lang als „Clear“ zu schlagen – die Federbälle mussten bis zur Hallendecke hochfliegend am Ende des Spielfeldes in eine 40×40 cm Öffnung einer Kiste fallen; dann „kurz-lang-lang-kurz“ Abläufe, „Drops“, „Drives“, „Smashes“, usw. …

… bis zur völligen Ermüdung, teilweise Erschöpfung. [auch hier: Danke!]

Tschüss Kopf, hallo Rückenmark

Alle Abläufe sollten sich in das Unterbewusstsein verlagern, zum Reflex werden – hier drängt sich mir der typische „Shu“-Gedanke auf.

Zur „Belohnung“ durfte dann die letzte viertel Stunde „frei“ gespielt werden (immer noch „Shu“, vielleicht mit einer klitzekleinen Tendenz zu „Ha“). Später, wenn ich dann z.B. an den ersten Wettbewerben teilnehmen durfte, kam ich langsam, sehr langsam in den „Ha“-Bereich.

Zu „Ri“ hatte es bei mir nie gereicht [im Viertelfinale der Westdeutschen Meisterschaften war Schluss 🙁 ].

Ähnliche Lern- und Trainings-Methoden wiederholten sich beim Basketball mit unendlich vielen Korbwürfen und immer und immer wiederkehrenden Stellungsspielen. Das gleiche beim Volleyball. Und beim Karate [hier habe ich mich allerdings nur kurz für lange drei Monate ‚quälen‘ lassen].

Auch während meiner → (Segel-) Flieger-Ausbildung und darüber hinaus wurden z.B. „beim → Platzrunden schrubben“ alle (sicherheits-relevanten) Vorgänge im Höchstmaß automatisiert [in das Rückenmark verlagert].

„Test Driven Development“ und Shu Ha Ri ?

Details dazu in einem späteren Artikel.

Vorab nur so viel:
selten woanders als gerade im IT-Umfeld – mit seinen zum Teil bedeutenden Investitions-Summen und system-kritischen Anwendungen – habe ich in meinen diversen Rollen als Entwickler, Architekt, Trainer, Coach, Projektleiter, „Agilist“, etc. erlebt, wie „man“ [meine lieben Kolleginnen und Kollegen] mit einem kurzen „Schnell-Besohlungs“-Crash Course von drei oder fünf Tagen auf den vom „Chef“ erwarteten „Ri“-Level, wenigstens nachhaltig(?) auf den „Ha“-Level gehoben werden soll – und dies für eigentlich irgendwie jedes IT-relevante Thema.

„Ha“ in fünf Tagen … → Paradox !

Neben den z.B. typischen → „Scrum, but“-Erfahrungen sind meine eingangs erwähnten Erlebnisse zu „Test Driven Development“ hier nur stellvertretend für ein „Shu Ha Ri“-Mindset, das dort überwiegend gar nicht zu existieren scheint bzw. bestenfalls so weit, weit weg ist.

Umdenken ?

Erfreulicherweise findet – gerade in Umfeld zu → „meinen Denkräumen“ – das Gedankengut hinter „Shu Ha Ri“ immer mehr Beachtung.

Lernen, d.h. Verhalten ändern, immer begleitet von einem Meister:

  • das Team durch den Scrum Master
  • das Unternehmen und die Scrum Master durch den Agile Coach
  • der Agile Coach durch seine KollegInnen

Ein paar Beispiele [auch für die → „Tagged“-Reihe]:

Diese Links als kleiner, hoffentlich wert-voller Impuls …

Und, welche Erfahrungen hast Du mit diesem Thema gemacht?

Ich freue mich auf den Austausch mit Dir!

about "Boeffi" ...CU
@ Boeffi  .net     aktualisiert am 24.05.2018

 

Medien- / Artikelbilder-Nachweis: Danke an und © siehe » 
en.wikipedia.org/wiki/File:ShuHaRi.png