„Innovation ohne gelebte Fehlerkultur? Vergessen Sie’s!“
Mein spontaner „Daumen hoch“ auf diese Meldung in Frank Lange’s Xing-Timeline… /1/
führte zu einem spannenden Dialog:
Frank
Innovation ohne gelebte Fehlerkultur? Vergessen Sie’s!
Boeffi
… ehrlich „gelebt“, keine Lippenbekenntnisse –> K.O.-Kriterium
Frank
Yepp. Einmal „Fail fast“ auf der Vorderbühne gefordert und den „Schuldigen“ dann auf der Hinterbühne bestraft – das brennt sich dermaßen tief ins Unterbewusstsein eines Unternehmens ein, dass lange Zeit mit keiner echten Innovation mehr zu rechnen ist.
Oliver, was sind Deine Erfahrungen an der Agile-Notfall-Hotline bezüglich Fehlerkultur? Wird sie in deutschen Unternehmen wirklich ehrlich gelebt?
Boeffi
Eine gelebte Fehlerkultur erlebe ich hier nur vordergründig, meist oberflächlich, selten ehrlich („Lippenbekenntnisse“). Tatsächlich: fast nie!
Eine persönliche, individuelle „Haltung“ (eben auch die zu einer Fehlerkultur), die tief im Rückenmark durch jahr(zehnt)elange Erfahrungen erlernt und verankert ist, lässt sich nicht „mal eben“ durch ein/das nächste (agile?) Change-„Projekt“ ändern. Oft wird uns allerdings eine schnelle Kulturänderung versprochen (und damit unerfüllbare Erwartungen geschaffen). Man braucht nur Methode A, vielleicht in Kombination mit B,
… damit bekommen wir eine neue (Fehler-) Kultur schnell hin. Fatal. Hab ich belastbar (!), also nachhaltig, leider noch nie erlebt. Meine Erfahrung ist: lasst die Methoden, Prozesse und Tools einfach weg. Wir konzentrieren uns ehrlich (!) auf den Menschen (Kunden, Leitung, Führung, Mitarbeiter…) Kulturänderungen können nicht angeordnet werden (werden es aber immer wieder), auch nicht mit dem ein oder anderen extrinsischen Zückerchen. Erst recht nicht auf der o.g. Methoden-Ebene etc. Diese Änderungsbedürfnisse müssen von innen heraus kommen.
Hierzu bedarf es einer Vielzahl kleiner, gemeinsamer (über alle Hierarchie-Ebenen), emotionaler(!) Erfolgserlebnisse, die sich in neuen, ungewohnten Rahmenbedingungen als Micro-Bausteine langsam, aber stetig zu einer neuen (Fehler-) Kultur aufsummieren können. Können! Da kleinste Störungen/Fehler (in Stresssituationen die „Besinnung auf die guten alten und gewohnten Tugenden“) die noch nicht vorhandene kritische Masse an emotianal positiven Erlebnissen ganz einfach wieder aufsprengen und (mal wieder) entsprechend verbrannte Erde hinterlassen.
Die Bausteine einer wirklichen (Fehler-) Kultur müssen „ehrlich und authentisch!“ vorgelebt werden – mehr top-down, dann folgt bottom-up. Dann erst funktioniert auch Innovation. Und überall dort in den Systemen (AKA Unternehmen), wo dies nicht so „ehrlich (vor-) gelebt“ wird, gibt es früher oder später intensiven Gesprächsbedarf an meiner Agile-Notfall-Hotline 😉
Mein Flow wird gerade von dem „Frühstück!“-Ruf meiner Liebsten unterbrochen 🙂 Sorry für die lange Antwort…
Ergänzend dazu habe ich gerade noch eine weitere Diskussion gefunden /2/
Was sind denn Deine Erfahrungen zu einer „Fehlerkultur“, wie Du diese erlebst? Was bedeutet diese für Dich in Sachen Innovation? Schreib einfach einen Kommentar…
CU
@ Boeffi .net aktualisiert am 24.05.2018
Leider ist zum Lesen jeweils eine Anmeldung auf den Portalen erforderlich:
Zum positiven Einfluss einer entsprechenden Fehlerkuktur auf die Wettbewerbsfähigkeit habe ich ein paar Zeilen geschrieben: https://www.inspectandadapt.de/wettbewerbsvorteil-fehlerkultur/
Und eine positive Fehlerkuktur kann sich nur durch echte Veränderung im Verhalten entwickeln, weil die Kultur immer nur der Schatten einer Organisation ist.
Den Zusammenhang zwischen nicht gelebter Fehlerkultur und manifestierten Ängsten von Mitarbeitern haben Andreas Lowinger und ich vor ein paar Monaten diskutiert.
https://www.franklange.eu/management-3-0-interview-mit-andreas-lowinger-teil-4/
Kurze Zusamenfassung des Interviews: Beim Begriff „Fehler“ muss man differenzieren. Natürlich ist handwerkliche Fehlerfreiheit wichtig, nicht umsonst ist der Begriff „Zero Bug Tolerance“ auch im agilen Bereich positiv besetzt. Klare Anforderungen und Abnahmekriterien sorgen in inhaltlich und zeitlich übersichtlichen Umgebungen für Struktur und Klarheit. Und damit für Erfolg.
In komplexen Umgebungen sieht es komplett anders aus. Dort Fehlerfreiheit zu fordern ist absolut kontraproduktiv. Mitarbeiter stecken sonst im Double-Bind: Auf der einen Seite wird von ihnen gefordert fehlerfrei zu arbeiten, auf der anderen Seite ist dies wegen unklarer und sich schnell wandelnder Kontexte gar nicht möglich. Das sorgt für Stress! Das Reptilienhirn springt an: Flucht, Kampf, oder tot stellen. Und in Unternehmen mit nicht wirklich gelebter Fehlerkultur funktioniert tot stellen am besten. Wer nichts macht, macht auch nichts verkehrt. Wirtschaftlich gesehen ein Disaster, denn Innovationen werden so im Keim erstickt.
Stattdessen: Fail fast, fail often, fail forward. Kurze Feedbackschleifen, Fehler machen, lernen. Und jeden Tag ein Stück besser werden.
Lieber Frank,
vielen Dank für Deinen wertvollen Kommentar. Ich bin voll bei Dir und bei Deinem Gespräch mit Andreas (Lowinger).
Gerade die durch Angst „natürliche“ und bewährte Überlebensstrategie des „sich tot stellen“ ist letztlich nicht nur für den betroffenen Menschen, sondern auch für die Unternehmen „ein Disaster“ – für Unternehmen über (auch) dadurch unmögliche Innovationen dann oft sehr schnell ein wirtschaftliches (leider zu oft erst damit treffen die Hilferufe bei meiner Agile-Notfall-Hotline ein).
Kurze Feedback- und damit Lernschleifen („…und bevorzuge dabei die kürzere Zeitspanne.“, Agiles Manifest) sind auch hier Chancen über „fail fast…“ immer besser, d.h. innovativer zu werden. Voraussetzung ist und bleibt eine ehrliche, authentisch (vor-) gelebte Fehlerkultur, die ein immenses Potential für Innovation frei setzen kann…
Herzlichen Dank und gern bis demnächst!
CU
Boeffi