Gern sehe ich mir immer mal wieder Webinars an – manchmal neben einer Routine-Tätigkeit am PC.
Heute zeigte ein Anbieter sein Tool, dass auch für Scrum „customisiert“ werden kann. Der Vortragsstil war locker und flüssig. Der Scrum-relevante Inhalt zunächst unscharf, manchmal verdreht, zum Teil erschreckend falsch.
Überraschend? Inzwischen (für mich) nicht mehr!
Überall steht „Scrum“ drauf
Was heute so alles in freier Wildbahn in Scrum hinein interpretiert wird, ist schon grotesk.
Als bekennender Scrum-Hardliner [1] habe ich nichts dagegen, wenn man für sein Vorhaben einzelne Elemente in cherry-pickender Art von Scrum nutzt. Nur, wenn man diese Beliebigkeit von Ansammlungen unterschiedlicher Methoden-Herkunft und deren willkürliche inhaltliche Ausgestaltung dann auch noch oberlehrerisch
„So macht man das in Scrum!“
in die weite Welt posaunt [2], spätestens dann schrillen bei mir die Alarmglocken – und diese läuten immer häufiger.
Diese freien Interpretationen [3] noch Scrum zu nennen, schadet leider sehr im Speziellen diesem und im Allgemeinen anderen exzellenten Frameworks oder Methoden (z.B. Agile).
Warum wird heute Alles und Nichts als Scrum verkauft?
Ich bin der Überzeugung, dass man erst einmal sein Handwerk lernen sollte – Stichwort: „Shu Ha Ri“ [4].
Wie schon z.B. im Artikel → „Scrum Master Pairing“ geschrieben, meine ich damit ausdrücklich nicht eine Pseudo-„Ausbildung“ von zwei oder drei Tagen, bei der man seine Anwesenheit im Rahmen einer Info-Veranstaltung zertifiziert [5] bekommt und anschließend via Ritterschlag zum „XYZ-Master“ oder „ABC-Professional“ ernannt wird.
Wir haben hier ein inflationäres Qualitäts-Problem!
Im Rahmen einer wirklichen Ausbildung(!) wird Wissen und Erfahrung „aus-ge-bild-et“ – man erhält die Chance dazu. Und dies dauert mehr als die o.g. mageren paar Tage. Im Rahmen von Wochen, Monaten und Jahren wird man die „Shu Ha Ri“-Phasen, teils schmerzhaft, durchleben müssen.
Erst dann hat der Einzelne (Scrum Master) die Möglichkeit erstens die Methodiken richtig zu lernen und zweitens sein Mindset von einem → Cargo-Cult-artigen „Do Agile / Scrum“ in ein bewusstes „Be Agile / Scrum!“ und damit in eine entsprechende Excellence „aus-zu-bild-en“.
Lessons Learned
Damit Scrum (und Agile und Kanban und XP und …) nicht noch mehr verbogen wird, müssen Ausbildungen her, die wirklich diese Bezeichnung verdienen.
Ganz zarte Bewegungen im Markt nehme ich inzwischen war. Das Thema Scrum-„Aus-bild-ung“ wird künftig (für mich) eine von vielen Herausforderungen werden…
CU
@ Boeffi .net aktualisiert am 24.05.2018
[1] Schade, dass man als Hardliner sehr schnell in die Dogmatiker-Schublade gesteckt wird, ohne dass die Hintergründe beleuchtet werden.
[2] Impuls für diesen Beitrag war das eingangs erwähnte Webinar, das nur als Beispiel dient. Solche Veranstaltungen bergen die Gefahr diese Art Pseudo-Wissen zu verbreiten – und dies als Multiplikator. Zumal, wenn einem Tool-Anbieter ein gewisse (Scrum-) Kompetenz unterstellt wird.
„Verbiegungen“ erleben wir auch immer häufiger im Rahmen der → „Scrum Audits“ (xing.com). Aber hier ist man direkt vor Ort und kann unmittelbar helfen – und korrigieren.
[3] Es wird gern argumentiert, dass man doch Scrum auf den jeweiligen Kontext anpassen müsse. Dies ist absolut richtig!
Nur, dann bitte mittels eines vollständigen und korrekten Scrums. Ein kurzfristiges „Ausbüchsen“ vom Weg ist dabei legitim, wenn anschließend die jeweilige Abweichung erkannt, reflektiert und im tatsächlichen Scrum-Sinn angepasst wird. Ausdrücklich immer mit der transparent nachvollziehbaren Offenheit, dass Scrum als Framework im aktuellen Kontext oder der aktuellen Kontext-Reife [4] (noch) nicht das richtige Mittel ist.
Hierbei ist mein Verständnis von „Framework“, dass es eine kontext-spezifische voll-umfängliche Umsetzung [6] [7] benötigt!
Damit meine ich explizit nicht die Beliebigkeit des cherry-pickenden Das-nehmen-wir-dies-nicht, die man heute unter der Überschrift „Scrum“ immer häufiger antriftt. Dies ist allenfalls Scrum-but und man sollte/darf das Wort „Scrum“ in diesen Interpretationen (bitte!) nicht nutzen.
[4] → Shu Ha Ri – Fehlt ein Mindset?
[5] → „Sinn und Unsinn von Zertifikaten“ on → openPM
[6] Hilfestellende und brücken-bauende Stichwörter für Softwerker: Implementierung von Interfaces / Abstract Types (syntaktisch und semantisch!)
[7] „Die Rollen, Artefakte und Ereignisse von Scrum sind unantastbar. Obwohl es möglich ist, nur Teile von Scrum zu implementieren, ist das Ergebnis nicht Scrum. Scrum existiert nur in seiner Gesamtheit“ (→ Scrum Guide 2011)
Du hast ein Thema aufgegriffen, welches mich momentan stärker den je rumtreibt. Was ist der „richtige“ Weg? „Scrum ist nur erfolgreich, wenn es in Reinform angewandt wird, weil Erfahrungswerte hinter jeder Regel stecken“ vs. „(…) einzelne Elemente in cherry-pickender Art von Scrum(…) nutzen“. Beide Argumente haben eine Darseinsberehtigung. Im Vergleich mit anderen Methoden frage ich mich, warum bei Scrum (na ja eigentlich bei allen agielen Methoden) eigentlich so viel diskutiert, verschoben und angepasst wird. Aus meiner Erfahrung hat das Projektmanagment (bei Einführung) nicht so viele Diksuionen erlebt. Eher: „Das ist so und das muss auch so sein und dskutiert nicht, sondern macht es“. Ich bin für neue Impulse pro/contra „Scrum reinform sinnvoll oder -los“
RT @Boeffi: Wert-los — #Scrum wird immer häufiger bis zur Unkenntlichkeit verbogen… https://t.co/VkRAfnWRNN
#CargoCult #Change #LessonsLearned
Top story: Scrum wird über Pseudo-Wissen verstümmelt und verbogen « cu @ Boeffi .net https://t.co/JV5Sa6gO3j, see more https://t.co/QbEIFOQiu4
Vielleicht sollten wir in Zukunft mehr von Scrum Framework (minimalste Implementierungseinheit) und Scrum Prozess (= Scrum Framework + X) und nicht mehr von „Scrum“ reden. Dann kann nicht jeder Dahergelaufene gleich mit „Customizing“ kommen.
RT @Boeffi: #Scrum wird über Pseudo-Wissen verstümmelt und verbogen https://t.co/ScwliBZ9 #agile #kanban #lean
+1 @Boeffi: Schade, dass man als Hardliner sehr schnell in die
Dogmatiker-Schublade gesteckt wird (https://t.co/ZMSgL1ls)
@boeffi „[1] Schade, dass man als Hardliner sehr schnell in die Dogmatiker-Schublade gesteckt wird…“ — Stefan N. https://t.co/DIATmzwP
[1] Schade, dass man als Hardliner sehr schnell in die
Dogmatiker-Schublade gesteckt wird, ohne dass die Hintergründe
beleuchten werden.
Stimmt! Sobald man an den Kerntechniken dreht, ist die Versuchung sehr groß immer weiter von den Prinzipien abzuweichen. Sätze wie „Du siehst das zu eng und viel zu streng … „. sind keine Seltenheit. Aber wenn es niemanden gibt, der diese Disziplin hat, kann es nicht für alle funktionieren. LG Stefan >> http://www.stefan-nowaczynski.com
Vielen müsste man die „Shu Ha Ri“-Philosophie [1] näherbringen – und zwar ganz generell, nicht nur bei Scrum.
Zu Schnell meint man nach ein paar oberflächlichen Informationen den „Shu“-Level („Follow the rules“) verlassen und direkt mit „Ha“ („Break the rules“) weitermachen zu können; um dann wiederrum sehr kurzfristig im vermeintlichen“Ri“-Level („Be the rules“) die ursprünglichen Ideen grotesk verbogen und verkehrt in die Welt zu „verkünden“ („so macht man ‚das‘ [z.B. Scrum]“).
Die Scrum-Ideen, so einfach diese anmuten, werden meist nicht wirklich verstanden. Sobald es unangenehm wird, werden die „Regeln“ verbogen [2]. Und es wird meist schnell unangenehm. Dies wird dann leider dem Scrum-Framework zugeschoben (O-Ton: „…jetzt macht ihr mal gerade drei Wochen Scrum und habt schon Probleme…“).
Verstanden?
Nein!
Aus-bild-ungen müssen her, die diese Bezeichnung auch verdienen…
Stefan, danke für Deine Gedanken!
CU
Boeffi
z.B.
[1] Shu Ha Ri – Fehlt ein Mindset ? https://boeffi.net/blog/shu-ha-ri-fehlt-das-mindset/
[2] Transparenz muss gewollt sein https://boeffi.net/scrum/agile-macht-ja-nur-probleme-oder-transparenz-muss-gewollt-sein/
RT @Boeffi: Blogged: Wert-los — #Scrum wird immer häufiger bis zur Unkenntlichkeit verbogen: Scrum wird heute in teils grotesker… https://t.co/ZqZ4WbTE
RT @Boeffi: Blogged: Wert-los — #Scrum wird immer häufiger bis zur Unkenntlichkeit verbogen: Scrum wird heute in teils grotesker… https://t.co/ZqZ4WbTE