Immer wieder wird mir deutlich: bei der Aus- und vor allem permanenten Weiterbildung von Scrum Mastern [SM] besteht erhebliches Optimierungspotential.
Unterbewusst treibt mich die Frage schon lange: wie kann man einen stetigen und nachhaltigen Verbesserungsprozess auch für die Fähigkeiten der SM erreichen ? [1]
Die SM-Rolle in Anlehnung an die Scrum Alliance:
Ein ScrumMaster ist ein fördernder Team-Leader,
der dem Unternehmen und seinem Scrum-Team hilft
– auf dem gewählten Scrum-Weg zu bleiben und
– entsprechende Hindernisse zu beseitigen.
Der Fokus liegt hiermit bei der Team- und Unternehmens-Unterstützung.
Scrum Master „Ausbildung“: heute
Aktuell begegnet man vielen Kollegen, die als Scrum Master an einem klassischen 2-Tage-Workshop teilgenommen haben – wenn man Glück hatte, waren dies sogar drei Tage. Eine mehr-monatige oder gar längere Ausbildung sind mir heute nicht [mehr] bekannt.
Teilweise erhält man in diesen Intensiv-Kursen sogar eine Zertifizierung („Certified ScrumMaster“ (CSM) , „certified by …“). Leider ist immer noch verbreitet, dass man via → Ritterschlag oder durch → Handauflegen zum Certified ScrumMaster „ernannt“ wird – manchmal wird noch ein Test mittels eines Multiple-Choice Fragebogens angeboten – man wird aber immer ohne jede Praxis-Erfahrung auf die Menschheit, d.h. die Teams, die Projekte und Unternehmen, losgelassen.
In den Workshops der bekannten, etablierten Anbieter und erfahrenen Coaches werden notwendige und sinnvolle, hoch-karätige Grundlagen vermittelt. Diese sind als Impulse für den eigenen künftigen agilen Weg sehr wertvoll. Aber mehr natürlich auch nicht. Es bleibt bei Impulsen – und damit bei einer Selbstverantwortung für den eigenen agilen Fortschritt.
Die Veranstaltungen sind überwiegend nach dieser Lern-Weisheit aufgebaut:
„Erkläre es mir und ich werde es vergessen.
Zeige es mir und ich werde mich erinnern.
Lass es mich selber tun und ich werde es verstehen.“
– Konfuzius
Leider werden die SM-Seminare sehr schnell von den Unternehmen, die ihre Mitarbeiter dort hin schicken [oder von den Teilnehmern selbst], paradoxerweise mit „Ausbildung“ gleichgesetzt – und so gelebt. [2]
Enttäuschungen bei den Beteiligten, dass es nicht richtig (oder womöglich garnicht) läuft, sind schnell die Konsequenz.
Der Seminarmarkt überflutet die Projekte – inzwischen inflationär – mit zum Scrum Master „ausgebildeten“ Mitarbeitern.
Ausgebildet ? Kann sich in zwei Tagen ein Scrum- oder Agile-Mindset ausbilden?
Sicher nicht.
Leider erlebe ich immer häufiger, dass sich ein erheblicher Anteil der Teilnehmer auf dem einmaligen Workshop-Besuch ausruht. Der ein oder andere macht vielleicht anfänglich noch einige selbst initiierte Erfahrungen im Projekt oder Konzern – er fehlt aber bedauerlicherweise oftmals an einer qualifizierten Weg-Begleitung durch einen erfahrenen Kollegen oder externen Coach – und, nach dieser Unterstützung wird auch nicht verlangt.
Kokketierender und stolzer O-Ton eines klassischen Gesamt-Projektleiters: „… ja, ja, Scrum Master bin ich auch … habe ich auch mal gemacht … bin sogar Certified ScrumMaster … habe außerdem einen Fragebogen bestanden … “ [schade, dass er im Alltag nur „Meilensteine reiten“ konnte und zumindest Scrum bzw. Agile nicht verinnerlicht bzw. verstanden hattet].
Ich sehe immer wieder, dass nur ein kleinerer (elitärer?) Kreis von SM Eigeninitiative zeigt, regelmäßig an Konferenzen, Tagungen und Kongressen oder → Unkonferenzen teil nimmt – und das Agile-Mindset lebt !
Aber selbst SM mit stetiger agiler Neugierde erfahren im Alltag Abstumpfung … werden betriebs-blind. Feedback über Team-Retrospektiven gibt es eher selten.
„Continuous Improvement“ für Scrum Master ?
Wie könnte ein → „Continuous Improvement“ [CI]-Ansatz auch für nachhaltige Qualitätsverbesserungen von SM realisiert werden?
Die Praxis zeigt immer wieder: entscheidend ist, dass es nicht nur bei oben geschilderten Anfangs-Impulsen bleiben darf. Es muss eine effektive Begleitung in die Entwicklung einer Methoden-Kompetenz und „agiler Reifung“ erzielt werden.
Die Möglichkeit über klassische Zusatz-Trainings sind im Seminar-Markt rar. Der Fokus liegt bei den üblichen und häufig nur initialen 2-3 Tage Angeboten mit den eingangs skizzierten Zertifizierungs-Arten. Die Einsicht bei den Unternehmen darüber hinaus Weiterbildung zu fordern und zu fördern ist bisher nicht konkret spürbar, so dass die Workshop-Anbieter [noch?] keine Notwendigkeit für entsprechende Angebote sehen. Ferner wird das Thema „Mitarbeiter-Qualifizierung“ in der Praxis häufig derart gelebt, dass alle paar Jahre mal eine Schulung genehmigt wird [selbst wenn das Management andere Leitsätze vorgibt, werden diese oftmals tatsächlich nur bedingt umgesetzt].
Als SM und AgileCoaches vermittlen wir, dass der Erfolg von Scrum u.a. auf dem „Inspect and Adapt“-Prinzip besteht. Wir begleiten die Unternehmen mit kontinuierlichen Verbesserungsprozessen und richten auf mehreren Ebenen – möglichst kurze – Feedback-Schleifen ein (Daily, Sprint, Reviews, Retros … hoffentlich noch auf weiteren Ebenen, wie z.B. → TDD etc.)
„Machen wir’s doch nach unseren eigenen agilen Grundsätzen !“
… und leben als „agile Normalität“, dass alles unter dieser „Inspect and Adapt“-Idee steht – natürlich auch die Tätigkeiten der SM selbst.
Gute Praxis-Erfahrungen haben meine Kollegen und ich – angelehnt an das Regelset aus der → „Extreme Programming“ Welt – mit dem Feedback regelmäßiger „Scrum Master Pairings“ gemacht. Durch diese Vorgehensweise ist bei sämtlichen alltäglichen Scrum Master-Aufgaben ein zumindest geübter Kollege, mal passiv im Hintergrund [analysierend], mal aktiv moderierend [und Beispiel gebend], dabei.
Das immer wieder durchgeführte Pairing mit – internen wie externen – Scrum Master-Kollegen ermöglicht über entsprechende Feedback-Schleifen eine kontinuierliche Verbesserung – bei den Fähigkeiten im Sinne einer Scrum- oder agilen Reife im allgemeinen und bei der Beseitigung von Betriebs- oder Projekt-Blindheit im speziellen.
Als günstig hat sich eine Art → „Round Robin“ Vorgehensweise gezeigt. Zusätzlich genutzt wird neben dem eher seltenen Team-Retrospektiven-Feedback [natürlich!] das Potenzial eigener Scrum Master-Retros – mit großem Erfolg.
[selbstverständlich ist Pairing bei nur kleinen Projekten mit manchmal nur einem SM schwierig – hier könnte ein externer SM regelmäßig begleitend hinzugezogen werden]
Lessons Learned ? !
„… Lass es mich selber tun und ich werde es verstehen …“
ist ein bedeutsamer Aspekt. Nicht selten bleibt aber die Frage unbeantwortet: „Wo bleiben die Verbesserungs-Hinweise eines erfahrenen Coaches nach dem anfänglichen Input der gängigen 2-Tage-Workshops ?“. Eigene Newbie-SM-Fehler kann man selbst nur schwer erkennen. Woher sollte man „es“ auch wissen?
Eine Scrum Master Aus- und Weiterbildung steht bei den Unternehmen und betroffenen SM in der Regel nicht im Fokus. Neben der nur vordergründig kosten-intensiven Coaching-Variante hilft mindestens ein regelmäßiges „Scrum Master Pairing“ mit kundigen Kollegen. Folge ist eine erhebliche positive Hebelwirkung (oder eine sehr negative bei Nicht-Beachtung).
Zusätzlich ist eine Art „Scrum Master-Team-Bildung“ förderlich. Dies ist jedoch ein langer, teils steiniger Weg – vielleicht weil diese Herangehensweise für die Scrum Master-Definition an sich noch nicht üblich ist?
Ein Nachhaltigkeits-Konzept mit einer Reifungs-Perspektive für agile Vorgehensweisen muss her. Die Unternehmen müssen gemeinsam mit den Scrum Mastern dringend etwas tun. Ansonsten wird [→ auch hier ?] das Potenzial des Scrum-Frameworks verschenkt.
„Scrum Master Pairing“:
ein erster, wichtiger Schritt, der sich lohnt !
CU
@ Boeffi .net aktualisiert am 24.05.2018
Passender Impuls:
→ Mitarbeiter können alles …
[1] „Continuous Improvement“ selbstverständlich nicht nur für Teams … diese Einstellung ist noch zu selten im Fokus, wird aber immer häufiger gefordert, z.B. @AgileForAll → Retrospectives aren’t just for teams. Everyone (incl. Product Owner and ScrumMaster) should think „How will I be better next sprint?“
[2] das gilt natürlich nicht nur für Scrum Master-Seminare; der Standard-Fall: z.B. „5 Tage Java-Programmierung“ [eher Crash Course] … und am ersten Arbeitstag erwartet der Chef für sein Geld eine „Ausbildung“ zum Java-Experten 😉