Freitag, 6. Dezember 2024
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„Wir müssen unseren Release-Zyklus optimieren… wir liefern ab jetzt nur noch 1x im Jahr…“

Upps, habe ich da etwas falsch verstanden?

Die Geduld des Vertriebs oder der Geschäftleitung, um ein neues Feature auszuliefern zu können, fühlt und hört sich irgendwie anders an:

  • „…bis ihr [das Entwicklungsteam] meine Kunden-Anforderung umgesetzt habt, hat der Wettbewerb schon längst agiert; wir laufen immer hinterher…“
  • „…wir müssen die → Time-to-Market verbessern…“
  • „…unsere Produkte müssen schneller auf die Straße…“

Eine denkbare Lösung… (und ein pointiertes → Beispiel-Video dazu).

„I want to run an agile project“

Vor ein paar Tagen traf ich zufällig Tobias in der Kaffee-Küche. Er führt als Lead Developer ein Team von fast zwanzig Mitarbeitern.

Auf meine Nachfrage, warum er denn so gestresst wirke, klagte er:
„…erst letzte Woche haben wir bereits das fünfte Bugfix-Release rausgegeben und bis morgen Nachmittag muss noch ein Hotfix nachgeschoben werden… eigentlich releasen wir nur noch einmal im Jahr…„.

Er bemühe sich schon seit langer Zeit das Thema „Agilität“ zu adressieren. Die Geschäftsleitung, der Vertrieb und sein Produkt-Manager sowie sein ganz normaler Alltag forderten von ihm und seinem Team immer wieder Zwischen-Releases.

Aber seitdem die Management-Beratung die zweite Stufe dieses mehrere tausend Manntage teuren „neuen Prozessmodells“ ausgearbeitet hätte und es mit einem kurzen Vorstands-eMail für alle Mitarbeiter verpflichtend angeordnet wurde, dürfe „offiziell“ nur noch einmal jährlich released werden.

Sein Produkt-Manager verstecke sich dahinter und würde sich maximal zwei Stunden die Woche Zeit für ihn nehmen. Wenn Tobias „agil“ entwickeln wolle, solle er dies im Konzern „verkaufen“.

Da mache aber zum Beispiel QM (Quality Management) oder EA (Enterprise Architecture) nicht mit, da sie bis in das letzte Detail ausgearbeitete Dokumentationen und Pläne forderten. Oder der IT-Betrieb, der bisher quartalsmäßig, nun nur noch einmal im Jahr paketiere – eigentlich.

Alles legitimiert durch das neue Vorgehensmodell.

Firefighting ist Alltag

Auch wenn dieses Modell von allen belächelt und in der Praxis mit unzähligen Ausnahmen umgangen würde, färbe es auf die Haltung seiner Mitarbeiter ab. Bedauerlicherweise nicht positiv.

Nicht nur einzelne Entwickler würden sich hinter dem neuen Vorgehen verschanzen, auf die Prozessbeschreibungen berufen und zum Beispiel generell Teamarbeit blockieren – obwohl bisher gerade die Entwickler ein agiles Vorgehen begrüßt hätten und immer wieder von den Vorteilen z.B. durch XP (→ Extreme Programming) schwärmten.

Teile der umgesetzten (Bugfix-) Anforderungen würden vom Produkt-Manager im Nachhinein oft nicht akzeptiert und mündeten immer wieder in ein nachgeschaltetes Zwischen- oder Hotfix-Release.

Tobias:

„Tatsächlich fahren wir und der Betrieb jeden Tag im Firefighting-Modus“

und weiter

„Dafür gibt es in den neuen Vorgaben sogar eigens ein ‚Exception Process‘ und einen ‚Emergency Plan‘.“

Paradox!

Jährliche oder doch zwei-wöchentliche Releases?

Tobias beschreibt ein Beispiel, wie ich es häufiger antreffe.

In das Unternehmen hinein wird kommuniziert, dass man kosten-effizient nur noch 1x im Jahr ein Release herausbringt.

      Natürlich wird für den Kunden X eine Ausnahme gemacht und „die Anbindung der Migrationsschnittstelle“ wird noch vor dem formellen Release umgesetzt.

Und die Version für den strategischen Kunde Y, der „neben dem PDF-Druck die Daten auch in einer speziellen XML-Struktur benötigt“? Na klar, ist ja kein großer Aufwand, wird zwischengeschoben!

Das „Prestige“-Feature für den Vorstand, damit er auf der nächsten Vertriebsmesse die Anwendung auch auf einem iPad zeigen kann, geht da was? Selbstverständlich, wird auch noch zwischendurch entwickelt. Hat halt Management Attention.

Bleiben noch die „üblichen“ Bugfix-Releases, die Hotfix-Releases, …

Ergibt summa summarum schnell mal mehr als 20 Releases und damit faktisch einen ca. zwei-wöchentlichen Release-Zyklus. Leider lügt man sich in die Tasche und sieht nur das eine Jahres-Release.

Habe ich etwas falsch verstanden?

Im letzten Strategie-Papier – aufwändig im Hochglanz-Druck erstellt – stand zweimal das Wort „Agilität“. Immerhin.

Davon ist durch das neue Prozess-Modell nichts mehr übrig geblieben. Und leider hatte man dessen Einführung nicht begleitet, nur angeordnet. Clever.

Auf der anderen Seite zeigen die Anforderungen aus dem Alltag, dass ein schwerfälliges Vorgehensmodell zum Beispiel mit jährlichen Releases dem Business nicht gerecht wird – über alle Unternehmens-Ebenen.

Möglicherweise wäre ein initiales „agiles Projekt“ ein Anfang…
– möglicherweise.

Wenn Du Ähnliches bei euch erlebst oder Unterstützung benötigst, frag doch mal den Agile Coach oder Scrum Master … Deines Vertrauens. Vielleicht findet ihr gemeinsam einen → Hebel

Welche Erfahrungen hast Du in Deinem Unternehmen gemacht?
non-agil, pseudo-agil, doch nicht agil…?

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@ Boeffi  .net     aktualisiert am 24.05.2018

 

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